Wir sind jetzt auf der geografischen Breite von Nazareth. Und Marakesch. Und Shanghai. Doch der Reihe nach.
Für heute, Sonntag, hatte sich Margit eine für ihren Chor berühmte Gemeinde im Süden von Memphis ausgesucht. Die haben keine Internetseite und so sind wir schon um kurz nach acht aufgebrochen, um nur ja nichts zu verpassen.
Als wir so gegen neun dort ankamen, war noch niemand da. Erst später tauchte eine ältere Schwester auf, die uns sehr freundlich darüber informierte, daß der Gottesdienst erst um halb zwölf beginnt.
Wir haben uns dann in die vorher beginnende Sonntagschule gesetzt, die ja hier auch für Erwachsene ist. Der Chorleiter sprach über den Zöllner im Tempel, sehr eindringlich. Predigten hier im Süden laufen im Dialog ab: Der Prediger stellt eine These auf, die Gemeinde bestätigt diese mit „Amen“ oder „Yeah“. Er stellt eine Frage, die Gemeinde antwortet im Chor oder vervollständigt den zitierten Bibelvers. Einschlafen ist da nicht drin.
Der Gottesdienst beginnt mit einer musikalischen Einführung eben jenes Chores, begleitet von veRschiedenen Instrumenten.
Der Bruder an der Hammond-Orgel ist ein 400-Pfund-Kawenzmann. Ich schaue mich heimlich um, wo der Gabelstapler steht, der ihn auf seine Bank gehievt hat. Aber er geht in seiner Musik auf und hat seine Kollegen gut im Griff. Die Finger flitzen über die Tasten, während Al Green über Römer 1 predigt. Der Gitarrist ist sehr entspannt und harft seinen Part eher bluesmäßig, sieht irgendwie aus wie BB King in jung.
Die Lithurgie entspricht nicht dem, was wir so kennen und wir müssen uns anstrengen, den roten Faden nicht zu verlieren.
Nach dem Gottesdienst können wir uns umziehen, wir haben unser Hotelzimmer ja dabei.
Wir überlegen, ob wir uns die Sümpfe um Hollandale ansehen, entschließen uns jedoch, lieber gleich bis Vicksburg durch zu fahren. Die Interstate ist frei und die Karre lässt auch bei 80 mph am Berg keinerlei Schwächen erkennen. Wäre da nur nicht das permanente Schlürfen.
Der Sprit (das 87-Oktan-Zeugs, was die Amis als Sprit zu bezeichnen wagen) kostet derzeit rund zwei Dollar pro Gallone. Also so um die o,48 Euro/Liter.
Wir passen an den County-Grenzen mächtig auf. Hier stehen die Sheriffs gerne und lasern.
Vor Jefferson nutzen wir die Gelegenheit, um ein Stück auf dem Natchez Trail Parkway zu fahren. Eine ähnliche Strecke, den Blue Ridge Parkway auf dem Höhenzug der Apalachen, sind wir ja schon vor Jahren mal gefahren. Der Natchez ist sehr schön und wir bedauern fast, dass wir ihn nicht schnell mal hinauf zum Cumberland River bei Nashville fahren können.
Margit macht mir Sorgen.
Seit ein paar Tagen schon murmelt sie was von Aufsitzmähern und so. Ständig schweift ihr glänzender Blick in die Vorgärten (hier so um die 2000 qm groß), wo sogar manchmal die Frauen (!) mit diesen Dingern über den Rasen fetzen.
Sie hat schon zweimal Geld auf dem Boden gefunden und ich habe den Verdacht, daß sie das heimlich dafür beiseite legt. Muß man im Auge behalten, sowas.
In Vicksburg haben wir einen „full hookup“-Stellplatz hinterm Deich. Der Platz gehört zu einem schnieken Hotel. Das Hotel gehört zu einem Spielcasino. Glücksspiel (oder Glückspiel? 🤔🙄) ist hier nur auf dem Fluß erlaubt, daher sieht es aus wie ein Shuffleboat.
Omis mit Gehhilfe werfen Quarters in die einarmigen Banditen, Farmer und herausgeputzte Damen spielen an den Tischen.
Das Steakhouse im Obergeschoß ist unser Ziel und serviert erstklassigen Stoff.
Gesättigt und müde wälzen wir uns wieder heim. „Home is, where you park it“.
