Wir haben beschlossen, heute bis St. Petersburg zu fahren. Nein, nicht das russische, da waren wir schon. Auch nicht das fiktive aus Tom Sawyer, da waren wir vor zwei Wochen. Das bei Tampa ist unser Ziel.
Wir folgen schon früh am Morgen der 98 erst noch ein Stück nach Westen, dann knickt sie nach Süden ab, wir knicken mit. Bei Cabbage Grove zeigt die Uhr 3.000 Meilen. Mit 180 mi habe ich das Auto übernommen, zieht man jetzt noch die rund 420 mi von Chicago nach Minneapolis ab, sind wir jetzt 2.400 mi gemeinsam unterwegs. Unser Tagesschnitt liegt also noch unter 200 Meilen, das ist sehr entspannt. Unser Spritverbrauch dürfte so bei 23 l/100 km liegen. Das Spritspar-Geheimnis ist keines: Einfach weniger Tempomat fahren. Das hatte ich in den Hügeln von Iowa schon ausprobiert.
Endlose Wälder, manchmal sumpfig. aber die Straßen hier sind top. Kein Vergleich zu Louisiana, Mississippi oder Alabama.
Ein fettes Insekt offenbart uns sein Innerstes. Der Scheibenwischer versucht sein Bestes, schmiert aber nur rum.
Später der Klassiker: zwei Enten hocken auf dem einsamen Highway. Sie erheben sich und watscheln gemächlich Richtung Straßenrand, ich gehe vorsichtshalber auf die linke Spur. Sie besinnen sich plötzlich anders und ich versuche, sie gerade noch mittig zu bekommen, sie quasi mit den Rädern rechts und links von ihnen zu überfliegen. Sehe einen Haufen Federn im Rückspiegel, unser Schiff hat nicht mal den Stoßdämpfer bemüht.
Am Cross Florida Canal bei Inglis spätstücken wir im Park. Hier gibt es einen schönen Radweg (Withlacoochee Bay Trail) bis zum Meer. Überhaupt stellen wir fest, daß man hier inzwischen viel für die Wanderer und Radfahrer tut. Wahrscheinlich waren die Verluste durch rabiate Pickups auf Dauer zu hoch.
US 98 und US 19 laufen hier auf einer Trasse gen Süden, es zieht sich. Sonne satt, 80 Grad F sind aber erträglich.
Auf der schmalen Insel Dunedin legen wir Mittagsrast ein: Honeymoon Island, verkündet das Schild. Wir telefonieren mit Rade, keine schönen Nachrichten.
Das Wasser ist warm, der Sandstrand ist auch hier weiß und man muß 20 m ins Meer waten, bevor es zum Schwimmen tief genug ist. Wir bleiben noch ein bisschen.
Wir bummeln mit 35 mph die vorgelagerten Inseln entlang, wir haben keine Eile. In Chicago hatte mir ein lieber Bruder zwei CDs geschenkt, er hat ein Tonstudio. Gute Lieder neu arrangiert, ein echter Trost bei schweren Gedanken.
Der Gulf Boulevard erstreckt sich hier von Nord nach Süd über 50 km lang. Tolle Häuser rechts und links, fast alle mit eigenem Bootslift.
Wir finden unsern Stellplatz auf St. Christopher Key, Nr. 197 gehört für eine Nacht uns.
Aussicht aufs Wasser und auf den direkt gegenüberliegenden Adlerhorst. Faszinierend.
Unser Nachbar, ein ernst dreinblickender Reiher, steht nur drei Meter neben meinem Klappstuhl. Wir grüßen einander höflich.
Im Lädchen kann man Fahrräder mieten. Zu so später Stunde lässt sich Joe zu einem Deal überreden.
Wir rauschen übermütig am Ufer entlang zur Seebrücke. Wildes Getobe in der Luft: Die Möwen gönnen sich gegenseitig die Butter auf dem Brot nicht. Immer wieder schießen…. ja, hätt‘ ich in Bio mal besser aufgepasst… Rotschnabelschwarzkopfweißlinge senkrecht ins Wasser. Dicht unter der Oberfläche entdecken auch wir die Schwärme kleiner Fische. Zwei Seekühe schnauben sich ans Abendlicht. Wundersame Tiere. Sie sind selten geworden, sagt uns Joe später, die Bootspropeller sind ihre ärgsten Feinde.
Noch vor Sonnenuntergang bummeln wir zurück. Margit ist duschen und ich habe mir das kleine Fernglas geholt. So nach und nach verziehen sich die Vögel ins Geäst. Lediglich die Adler nutzen noch die späte Thermik. Nur so zum Spaß, wie es scheint. Ein verspäteter Pelikan segelt, etwas schräg auf dem Querruder, daher. Tja, mein Junge. Wärst Du mal nach der Arbeit besser gleich heim, anstatt beim alten Tucan noch einen zu heben. Und die Windeln für die Kleinen hat er wohl auch vergessen. Schläft er halt wieder auf dem Sofa, der Tölpel.
